Sonntag, 26. Oktober 2008

Woche 1

Ja, ich hab tatsächlich die erste Woche überlebt. Und wenn ihr schon auf dieser Seite gelandet seit, interessiert euch wohl auch wie mein neues Leben aussieht.

Zuerst mal fahre ich mindestens 130 km am Tag nur um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen, dabei konsumiere ich Biodiesel und bin somit mitverantwortlich für die gestiegenen Preise für Mais. Außerdem trage ich jetzt Blusen und Blazer und denke darüber nach mir eine schwarze Lederhandtasche zu kaufen. Nicht so einfach passend angezogen zu sein, um sowohl Bankdirektoren als auch Kellnerinnen zu bequatschen. Meine Aufgabe besteht darin in jedes Geschäft, jede Bank, jede Cafeteria etc. zu gehen und die dort arbeitenden Menschen davon zu überzeugen, dass sie am nächsten Tag einem Vertreter zuhören wollen. Ich leiste also ein bisschen Vorarbeit, damit der Vertreter nur Leute bearbeiten muss, die zumindest ein grundsätzliches Interesse an Englischkursen haben. Natürlich bin ich nicht einfach los marschiert und hab auf die Leute eingeredet. Diese Woche erhielt ich die versprochene „professionelle“ Ausbildung. Meine Ausbilderin heißt Irene, ist fünf Jahre jünger als ich, verheiratet mit einem Iraner und hat zum Islam konvertiert. Sie macht den Job seit Anfang Sommer. Zuerst hab ich gelernt, dass man Morgens nachdem man kurz im Büro vorbei geschaut hat, erstmal Frühstücken geht. Dann habe ich eine dreiseitige Fotokopie bekommen mit der Überschrift „Speech“ auf der steht, was ich ungefähr sagen muss und was ich auf keinen Fall sagen darf. Danach sind wir in einem Einkaufszentrum losgezogen, ich habe Irene bei der Arbeit zugehört und nett gelächelt. Dummerweise lief es ausgerechnet an meinem ersten Tag echt mies und ich fand es ziemlich deprimierend nach ca. 30 Läden nur mit Absagen dazustehen. Ich hatte also nichts zu verlieren und habs selbst mal versucht. Nach der Hälfte des Gesprächs blieb ich hängen und hab mich nicht getraut den Vertreter ins Gespräch zu bringen, Irene ist eingesprungen und wir haben den Termin bekommen. Am zweiten Tag lief es nicht viel besser, weil die Chefin uns in ein Stadtviertel geschickt hat, wo es hauptsächlich ältere Leute gab, die noch nie auf die Idee gekommen sind Sprachen zu lernen. Am dritten Tag lief es dann endlich gut und wir haben schon am Vormittag 4 Leute überredet, davon hab ich zwei praktisch allein gemacht. Nach diesem Erfolg hat Irene beschlossen, dass wir Nachmittags nicht mehr arbeiten. Am Freitag hab ich ganz allein die Daten (so nennen wir das, wenn wir jemanden überredet haben, weil wir dann Name, Telefon und so bekommen) eines sehr ernsten Bankdirektors bekommen. Am Montag darf ich dann hoffentlich alleine arbeiten.

Natürlich ist ewiges Klinkenputzen kein Traumjob, aber so schlecht ist es auch nicht. Man kommt mit vielen Leuten ins Gespräch, hört halbe Lebensgeschichten oder wird mit unerwarteten Sprachkenntnissen überrascht. Eine Cafeteria Besitzerin konnte deutsch, weil sie 15 Jahre in einer Fabrik im Schwarzwald gearbeitet hat. Aber wir sind auch schon auf Japanisch und Arabisch gestoßen. Eine junge Frau meinte sie hasst deutsch und Irene war so nett sie völlig rot werden zu lassen, indem sie meine Herkunft preisgab. Oft überrascht auch das Mitteilungsbedürfnis von privaten Details, so kann man auf die Frage nach Englischkenntnissen durchaus erklärt bekommen wie viele anerkannte und nicht anerkannte Kinder ein Kellner so hat. Außerdem hab ich schon eine marokkanische Seifenschale geschenkt bekommen.

So ist der Job also bis jetzt ganz OK, jetzt muss ich nur noch hoffen, dass die Vertreter auch was verkaufen, sonst verdien ich nämlich sehr wenig.

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